Marktrelevanz der Gentechnik

Monday, March 1, 2021 18:30-19:30, Online-Meeting
Speaker(s):

Dr. Hans-Peter Meyer

Referent Hans-Peter Meyer hat in Fribourg Biologie studiert und auch dort doktoriert. Anschliessend arbeitete er im Institut für Biotechnologie an der ETH und schliesslich in der Lonza in verschiedenen Positionen. Nun ist er pensioniert. Er hält aber immer noch Vorlesungen an der HES-SO und hat diverse Verwaltungsratsmandate inne.

Die Relevanz der Gentechnik muss als sehr gross eingeschätzt werden und nimmt schnell zu. Weltweit beträgt die Wertschöpfung der Gentechnik rund vier Milliarden Schweizer Franken. Schätzungsweise ist sie aber noch viel höher, dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich etwa Pharmariesen weigern, den Begriff Gentechnik zu verwenden, da dieser teilweise negativ behaftet ist. Gentechnik betrieben wird aber trotzdem. Nur schon der Pharmariese Roche macht mit der Gentechnik einen immensen Umsatz. Es ist davon auszugehen, dass zwei Technologien das nächste Jahrhundert prägen werden, einerseits die Informationstechnologie andererseits die Gentechnologie.

Zum Begriff der Gentechnik: Bei der Gentechnik handelt es sich um den Transfer von Genen über natürliche Grenzen hinaus, d.h. etwas, was man in der Natur in dieser Art nicht sieht. Als Beispiel kann etwa das menschliche Insulin genannt werden, welches mittels Bakterien produziert und vermehrt werden kann.

Warum überhaupt Gentechnik?

Die Gentechnik kann mit einem Motor verglichen werden, der mit einem Turbo geboostet und anschliessend wieder in das Auto eingesetzt wird. Genauso wird das Genmaterial von Bakterien mit einem Turbo und Lachgas gespritzt, um die Produktivität zu erhöhen und anschliessend wieder in den Kreislauf einzuführen.

Gründe für die Verwendung von lebenden Systemen:

  • Metabolismus: Lebenssysteme sind unglaublich präzise und leistungsfähig. Der Stoffwechsel kann in kürzester Zeit komplexe Moleküle herstellen.
  • Reproduktion: z.B. das in der Gentechnik viel verwendete E.coli Bakterium ist in der Lage, sich innert 40 Minuten zu teilen und über 1'000 Proteine zu machen.
  • Exponentielles Wachstum: Dies hat den Vorteil, dass man in kurzer Zeit eine grosse Menge an Bakterien herstellen kann. Wenn dem Bakterium ideale Bedingungen gegeben werden, ist dieses hypothetisch gesehen in der Lage, in ca. 72 Stunden die Masse der Erde zu erreichen.
  • Sicherheit: Im Vergleich zur Chemie sind in der Biotechnik keine gefährlichen Reaktionen möglich. Auch bei den Abfallstoffen handelt es sich zu einem Grossteil aus Wasser und damit unschädlichen Stoffen. 

Gentechnik & Wertschöpfung:

Bei Vergleich der gesamten Wertschöpfung in der Schweiz zeigt sich, dass eine grosse Anzahl an Uhren verkauft wird. Auch wird eine grosse Menge an Kaffee exportiert. Gleiches gilt für den Käse. Von den getätigten Exporten betrafen im Jahre 2017 jedoch rund 45% chemische und pharmazeutische Produkte, im Jahre 2019 gar 51%. Im Vergleich dazu kommen die Uhren nur lediglich auf 10% der Exporte. In Franken ausgedrückt, beliefen sich die Exporte auf rund 124 Milliarden Franken, davon entfielen 85.1% auf Pharmazeutika, Vitamine und Diagnostika, worunter auch die Gentechnik zu subsumieren ist. Es handelt sich dabei um die Haupttreiber des Exports. Gentechnik wird in diesen Bereichen in vielfältiger Weise eingesetzt. Ein paar Beispiele:

  • Pharma: Wie bereits erläutert, handelt es sich bei der Herstellung von menschlichem Insulin mittels Bakterien um eine Form der Gentechnik. Gleiches gilt für die Herstellung von EPO. Als Star der weltweiten Gentechnik kann auch das Molekül mAbs bezeichnet werden. Dieses Molekül generiert 125-130 Milliarden Franken Umsatz weltweit, in der Schweiz wohl 25-30 Milliarden Franken. Es handelt sich dabei um eine Art der Identifizierung von spezifischen Antikörpern zum Zweck der Diagnose und Behandlung von Krankheiten.
  • Landwirtschaft: In der Landwirtschaft weit verbreitet ist das Enzym Phytase. Es wird etwa in der Schweinezucht verwendet. Da die Ausscheidungen von Schweinen stark mit Phosphor belastet sind, sind diese Ausscheidungen schädlich für die Gewässer. Mit Verabreichung dieses Enzyms ist es nun möglich, dass Schweine Phosphor viel besser verarbeiten können, wodurch sie nicht nur schneller an Gewicht zunehmen, sondern auch das Wasser durch deren Ausscheidungen weniger verschmutzt wird. Auch dieses Enzym wird mittels Gentechnik hergestellt.
  • Lebensmitteltechnologie: Auch in diesem Bereich gibt es viele Enzyme, die in der Gentechnologie eingesetzt werden. In dieser Branche spricht man aber nicht gerne von Gentechnologie, zumal die Bezeichnung negativ behaftet ist. Aber etwa bei der Käseherstellung ist es unmöglich, ohne Gentechnik zu produzieren. Zudem besteht bei der Herstellung mit Rohmaterialen von Tieren immer die Gefahr, dass infektiöse Substanzen in die Lebensmittel geraten. Diese Gefahr besteht mit der Geotechnik nicht, da die so hergestellten Rohstoffe keine infektiösen Substanzen enthalten. Als weiteres Beispiel sei etwa die Herstellung von Pommes Frites genannt, da bei Temperaturen von über 200 Grad die Gefahr besteht, dass krebserregende Stoffe entstehen könnten. Mittels Gentechnik können diese Stoffe zerstört werden.
  • Kosmetik: Auch in der Kosmetik wird Gentechnik eingesetzt. In dieser Branche werden die Kunden leider oft verarscht, da viele Stoffe, wie etwa Hyaluronsäure, überhaupt nicht durch die Haut gehen und zudem auch Tumore entstehen können. Auch in der Kosmetik wird es aber vermieden, von Gentechnik zu sprechen. In der Kosmetik gibt es jedoch viele Produkte, die überhaupt nicht natürlich hergestellt werden könnten, sondern Gentechnik benötigt wird.
  • - Entgiftung: Bsp.: Schafe werden alle 6-8 Wochen gebadet, um Parasiten abzutöten. Dieses Wasser kann nicht einfach in Natur gelassen werden. Ein mit Gentechnik hergestelltes Mittel kann jedoch dazugegeben werden, um die Schadstoffe abzubauen.

Schweizer Firmen im Bereich der Gentechnik:

Roche und Novartis: Für beide Unternehmen ist Gentechnologie absolut unverzichtbar. Roche kann als Champion von monokularen Antikörpern bezeichnet werden. Novartis ist vor allem Pionier bei Zelltherapien. Novartis bietet quasi eine Korrektur im Körper an. Etwa bei Leukämie wird Blut von Patient entnommen. Die Phasen im Blut werden abgetrennt und die T-Zellen isoliert. Diese werden dann gentechnisch verändert, so dass sie anschliessend im Körper die Krebszellen erkennen können. Bevor sie aber dem Patient verabreicht werden, muss sich der Patient einer Chemotherapie unterziehen, um das Immunsystem praktisch auf null zu setzen. Die gentechnisch veränderten Zellen werden dann in den Körper gespritzt. Diese Therapie ist jedoch extrem teuer. Roche im Gegenzug bietet etwa ein Mittel gegen Brustkrebs an. Es handelt sich dabei um eine Art intelligente Bombe, die den Weg zum Ziel selber findet. Es handelt sich um einen Antikörper, welcher das Antigen auf der Krebszelle erkennt und dieses bekämpft. Der Antikörper hat ein Gift angehängt. Dieses wird in den Körper eingespritzt, die Antikörper zirkulieren im Blut und docken an die Krebszelle an und sobald sie dort befestigt sind, vernichten sie den Tumor.

Auch die Lonza produziert und investiert extrem in die Gentechnik. Im Verlaufe der nächsten 10 Jahre werden wohl über 1 Milliarde Franken investiert. Über längere Zeit wird dies über 1'000 neue Arbeitsplätze generieren. IBEX wird jedoch nicht mit e.coli Bakterien arbeiten, sondern mit chinesischen Hamsterzellen, welche in der Gentechnik ebenfalls sehr beliebt sind.

Weitere in der Schweiz ansässige Unternehmen, die ebenfalls im Bereich der Gentechnik investieren:

  • Biogen: produziert in gleicher Weise wie IBEX.
  • CSL Behring: Derzeit besteht das Problem, dass drei Produkte für Bluter geschaffen werden sollten, eines jedoch zu grösseren Problemen führte, so dass das Unternehmen etwas zurückgefahren werden musste.
  • Merk Serono: Es werden therapeutische Molekül gegen MS und für die weibliche Fertilität hergestellt.
  • CRISPR Therapeutics

Als weiteres Beispiel zu nennen, ist der Agrosektor, insbesondere Syngenta. Obwohl Syngenta in der Zwischenzeit übernommen wurde, ist Basel nach wie vor ein wichtiger Standort. So hat Syngenta etwa das Patent auf den Golden Rice. Es handelt sich dabei um Reis, welcher höhere Dosen an Vitaminen enthält. Weiter hält sie auch ein Patent für gentech Mais.

In der Schweiz gibt es jedoch ein Gentech Moratorium. Es dürfen keine gentechnisch veränderten Pflanzen angepflanzt werden. Dies hindert die Entwicklung der Gentechnik in der Schweiz in immenser Weise. In anderen Ländern bestehen keine derartigen Verbote, daher wurde ein grosser Teil der Forschung aus der Schweiz abgezogen. Dieses Gentech Moratorium muss wohl als Fehler bezeichnet werden. Dies ist etwa am Beispiel des Feuerbrands zu erläutern. Feuerbrand ist ein Bakterium, welches die Äpfel zerstört. Was kann dagegen getan werden? Es bestehen drei Möglichkeiten: Die Bäume zu fällen und zu verbrennen, die Bäume mit Antibiotika zu behandeln oder der Einsatz von Gentechnik. Mittlerweile gibt es eine Methode in der Gentechnik (Cas-Methode), damit kann in kurzer Zeit Pflanzenmaterial angepasst werden. Wenn ein Baum ohne Gentechnik gegen Feuerbrand resistent gemacht werden soll, dauert dies normalerweise 20-30 Jahre. Es gibt jedoch einen Genabschnitt, welcher den Baum resistent macht. Das Problem in der Schweiz ist nun aber, dass Gentechnik verboten ist und dies daher nicht möglich ist.

Ein weitere Bereich, welcher in der Gentechnik relevant ist, sind Aroma & Riechstoffe: Der globale Markt beträgt zwischen 25-30 Milliarden Franken. Davon werden 30% von zwei Schweizer Firmen abgedeckt (Givaudan & Firmenich). Das Problem dieser Firmen ist jedoch, dass eine Versorgung mit Rohmaterialen (Sandalwood, Patchouli, Ambrox) betrieben wird. Aufgrund von Übernutzung der Natur und des Klimawandels hat man bereits jetzt viel zu wenig Rohmaterial und es wird immer weniger werden. Gentechnik kann dazu genutzt werden, diese Rohstoffe künstlich herzustellen. Die Gentechnik ist daher gar nicht mehr wegzudenken.

Wahrnehmung der Gentechnik:

Risiken:

  • Monsanto: Es handelt sich dabei um eine amerikanische Firma, ein Agrounternehmen, welches absolut radikal mit Gentechnik auf den Markt ging. Bei deren Produkt Roundup handelt es sich um ein Pestizid. Als jedoch bekannt wurde, dass dieses krebserregend sein könnte, gab es einen grossen Skandal. Dieses Pestizid wurde unkontrolliert eingesetzt. Auch das Produkt bGH (Wachstumshormon) kann genannt werden. Dieses wurde Kühen gespritzt, damit sie mehr Milch produzieren. Die Euter wurden dadurch aber so unnatürlich gross, dass die Kühe fast nicht mehr laufen konnten. Auch dies endete in einem Skandal.
  • Strawberry Noir: Forscher stellten schwarze Erdbeeren her. Diese wurden als Cocktail-Gag verkauft. Dies kam ebenfalls sehr schlecht an.
  • Novartis Werke in Huningue: Weil bezüglich der Gentechnik in der Schweiz erhebliche Regulierungen bestehen, verlegte die Novartis kurzerhand Teile ihres Werkes ins nahe gelegene Frankreich, um diese zu umgehen.
  • Ecover shit storm: Es handelte sich dabei um nachhaltige Reinigungsprodukte. Es sollte auf Palmöl verzichtet werden, die Produkte wurden mit gentechnisch veränderter Alge versetzt. Es kam jedoch zu einem Aufstand von Gentechnikgegner, so dass das ganze Projekt abgebrochen werden musste.
  • Crispr/Cas Zwillinge China: Ein Forscher hatte das Erbgut von Zwillingen mit Crispr verändert. Diese Methode erlaubt es, Genabschnitte gezielt auszutauschen. Dies hat eine grosse ethische Debatte ausgelöst.

Perspektive/Probleme:

  • exponentielles Bevölkerungswachstum
  • Klimawandel
  • Reduktion von Anbauflächen
  • Süsswassermangel
  • Empfindlichkeit elektronischer System
  • Kontrolle der künstlichen Intelligenz

Die herkömmliche Schweizer Pharma kann mit ihren High-Tech-Produkten wenig zu diesen Problemen beitragen. Covid hat im Pharma-Bereich ebenfalls Schwächen offen gelegt. In der Schweiz besteht seit Jahren ein Mangel an Medikamenten der Grundversorgung. Auch multiresistente Keime in Spitälern stellen die Pharma vor grosse Schwierigkeiten. Mit anderen Worten braucht es dringend neue Antibiotika. Auch für deren Herstellung braucht es Gentechnik. Weiter kann Gentechnik auch dafür gebraucht werden, die nachhaltige Versorgung der Bevölkerung mit Energie und Nahrungsmitteln in Zukunft sicherzustellen. Darum liegt die Zukunft der Gentechnik vor allem in der Landwirtschaft. Die herkömmliche Kultur ist nicht mehr nachhaltig. Die Präzisionslandwirtschaft mittels Gentechnik ist die einzige Lösung. Es braucht Bodenanalysen und Pflanzenanalysen mit Drohnen, um zu analysieren, unter welchen Stressbedingungen eine Pflanze steht. Gentechnik wird eine entscheidende Rolle darin spielen, da es Pflanzen braucht, die den Klimawandel besser meistern können.

Berichterstatterin Chantal Carlen


Referent Dr. Hans-Peter Meyer