Noch wachsund Rieblini nit inner Migro – Umwelt, Technologie und Nahrungsmittelproduktion

Monday, April 12, 2021 18:30-19:30, Online
Speaker(s):

Prof. Schmidhalter Urs

Präsident Diego Schmidhalter begrüsst die Anwesenden zum online Meeting und übergibt den Bildschirm an den Referenten Urs Schmidhalter.

Nach einer Begrüssung startet dieser mit seinem Vortrag zum Thema Umwelt und Technologie.

Landwirtschaft hat heute viel mit Technologie zu tun. Damit verbundene Probleme betreffen uns alle. Wie sind diese Probleme entstanden und was für Lösungen gibt es?

Als erstes zeigt der Referent ein Bild über Vertikalen Pflanzenanbau, eine Art des Anbaus, den man in Zukunft wohl vermehrt antreffen wird. Die Pflanzen gedeihen unter Kunstlicht. Vor allem Gemüse und Gewürze werden zum Teil schon von Grossverteilern auf diese Weise den Kunden im Geschäft angeboten. Es ist vorstellbar, dass dies besonders in Grossstädten Erfolg haben wird. Reis, Getreide oder Kartoffeln lassen sich jedoch nicht auf diese Weise anbauen.

Die Blockierung des Suezkanals durch einen Grossfrachter hat deutlich gezeigt wie fragil auch der Nahrungsmitteltransport ist. Die Luftaufnahme zeigt aber ebenfalls, dass Nahrungsmittelanbau auch in der Wüste möglich ist. Energie (Licht, Wärme) ist genügend vorhanden. Wasser und Nährstoffe müssen jedoch zugeführt werden. Anders als bei einer «klassischen» Erd-Anbaufläche welche Nährstoffe enthält und Wasser speichern kann.

Wir leben, direkt oder indirekt, von den Pflanzen. Diese brauchen für ihr Wachstum 14 verschiedene Nährstoffe. Meistens sind diese Nährstoffe im Boden vorhanden. Allerdings sind einige davon endlich. Bei Phosphor rechnet man damit, dass die natürlichen P-Vorkommen in 200 bis 300 Jahren erschöpft sein werden. Das bedeutet, dass Phosphat wieder vermehrt aus der Kette Tier-Mensch zurückgewonnen werden muss. Klärschlamm wird heute grösstenteils verbrannt. Hier müssen Phosphate in Zukunft mit grossem technischem Aufwand zurückgewonnen werden. Gelingt es nicht diesen Kreislauf wieder zu schliessen, kann die Menschheit theoretisch aussterben.

Verschiedene Faktoren beeinflussen das Wachstum von Pflanzen (Standortklima, Erosion, pH-Wert, Schädlinge, u.s.w.). Dabei ist jeweils der kleinste Faktor der limitierende. In Ägypten beispielsweise ist es das Wasser. Dieses Zusammenspiel der verschiedenen Teile führt dazu, das Pflanzen besser oder schlechter gedeihen. Ideal ist natürlich, wenn nichts nachgeführt werden muss.

Die Erde besteht zu 71 Prozent aus Wasser. Das meiste ist jedoch Salzwasser, also nicht für den Anbau nutzbar. 9 Prozent sind Wüste, Gletscher und Ödland und 9 Prozent Wald. Weitere 8 Prozent sind Wiesen und Weiden, also nur für Tiere nutzbar. Reines Ackerland sind nur 3 Prozent. Diese Fläche ist auch kaum erweiterbar. Als Folge des grossen Bevölkerungswachstums wird die verfügbare landwirtschaftliche Nutzfläche pro Kopf immer kleiner. Sie wird bis 2050 weltweit im Durchschnitt um rund einen Viertel abnehmen, in Afrika um etwa die Hälfte. Die vorhandene Fläche muss also möglichst gut genutzt werden. Hier beginnt die Technologie an eine Rolle zu spielen. So hat sich der Verbrauch von synthetischem Dünger und damit die Produktion von reaktivem Stickstoff seit 1960 rund versechsfacht. Auf diese Weise konnte die Nahrungsmittelproduktion enorm gesteigert werden. Ohne den Einsatz des künstlich produzierten Stickstoffs könnte die Hälfte der Menschheit nicht ernährt werden. Das hat natürlich Konsequenzen. Es wurde zu viel Stickstoff in die «planetaren Grenzen» eingeführt und ein Teil davon reagiert mit der Umwelt. Heute stellen vor allem drei Stickstoff-Formen ein Problem dar: Lachgas, Ammoniak und Nitrat. Es sind dies Belastungen, die aus der Ernährung der Menschen resultieren. Diese Emissionen müssen vermindert werden. Vor allem in den «entwickelten», westlichen Ländern ist einiges machbar. Kann die Nahrungsproduktion ökologischer gestaltet werden? Das kann man sich in der Schweiz oder Deutschland leisten. Aber weltweit ist das nicht möglich. Die Fläche, die dafür zur Verfügung stehen müsste, ist nicht vorhanden. Ein erstrebenswertes Ziel, aber leider eine Utopie.

Was geschieht nun mit dem Stickstoff? Von 100 Einheiten Stickstoff, die in einem Werk produziert werden und für die Tierhaltung in der Landwirtschaft eingesetzt werden, kommen noch 4 Einheiten beim Menschen an. Die Pflanzen bekommen rund die Hälfte ab. 96 Prozent entweichen in die Luft, den Boden, ins Wasser und so ins Meer. Die Stickstoff-Effizienz der Landwirtschaft liegt in der Pflanzenproduktion bei 80 Prozent und bei der Tierproduktion bei 35 Prozent, also ein grosser Verlust. Da liegt es auch an uns Konsumenten diesen Markt zu steuern, in dem wir unsere Essgewohnheiten ändern. Im Durschnitt hat die Landwirtschaft in der Schweiz und in Deutschland eine N-Effizienz von 50 Prozent. Der Weltdurchschnitt liegt bei 30 Prozent. An durch Menschen bedingten Umweltproblemen steuert die Landwirtschaft 95% Ammoniak, 70% Lachgas, 55%  Phosphat und 75% Nitrat bei. Das hat grossen Einfluss auf Athmo-, Bio- und Hydrospäre und verstärkt den Treibhauseffekt. Bei einer Erderwärmung um 5 Grad würde die Weizenproduktion um rund 40 Prozent schrumpfen. Hinzu kommt das ständig wachsende Problem der Wasserarmut.

Ein Beispiel wie Emissionen gesenkt werden können: Ammoniak entsteht durch die Zersetzung stickstoffhaltiger Stoffe aus Harn und Kot. Bei der herkömmlichen Ausbringung von Gülle mittels Prallteller entweicht viel Gas in die Luft. Durch die Anwendung von sogenannten Schleppschläuchen kann der Verlust um rund 40 Prozent gesenkt werden. In Deutschland bestehen bereits entsprechende Vorschriften. Damit steigen allerdings die Investitionen bei den Landwirten was wiederum Auswirkungen auf den Konsumenten hat. Auch eine optimierte Düngung kann wesentlich mithelfen die Verluste zu minimieren. Da sich jedoch das Wetter nicht auf weite Sicht vorherbestimmen lässt ist das eine heikle Gradwanderung.

Bei Gemüse geht besonders viel Stickstoff verloren. Das Verhalten der Konsumenten hat auch hier einen grossen Einfluss. Alle wollen grüne Salatblätter. Gibt man weniger Stickstoff sind die Blätter gelb. Ebenso geniessbar aber optisch weniger ansprechend. Würde der Konsument solches akzeptieren, könnte auch hier der Einsatz reduziert werden.

Seit Jahren beschäftigt sich die Technische Hochschule mit der Erfassung des Pflanzenwachstums und arbeitet an Technologien, die Düngung effizienter gestalten zu können – sogenannte Präzisions-Landwirtschaft. Das geschieht durch Beobachtungsmethoden vor Ort, am Boden oder aus der Luft. Mit Hilfe verschiedener Messmethoden können Informationen zu den beobachteten Feldern gesammelt und dann ausgewertet werden. Das ermöglicht einen präziseren Anbau mit einer Minimierung der Schadstoffe.

Im Anschluss an seinen Vortrag beantwortet Prof. Urs Schmidhalter noch Fragen der Rotarier.

  • Einige Antworten: Wüstenregionen kann über runde Bewässerungssysteme auch Nährstoffe beigegeben werden. So kann auch auf sandigem Boden Pflanzenproduktion betrieben werden. Es handelt sich schon um ein optimiertes System. Ist jedoch nicht in jedem Gebiet sinnvoll.
  • Die Verseuchung des Wassers in der Schweiz stellt für den Menschen auch in Zukunft kaum ein Problem dar, das Problem liegt in der Auswirkung auf die Umwelt wie z.B. Algenbildung

Nach den Regularien beschliesst Diego Schmidhalter das Meeting.

Berichterstatter Beat Jaggy

Referent Prof. Urs Schmidhalter